Nachdem der baden-württembergische Umweltminister den „freigemessenen“ Abfall aus Atomanlagen wieder einmal für unbedenklich erklärt hat, hat EnBW die nächste Lieferung von Abbaumaterial aus dem AKW Obrigheim (KWO) nach Buchen angekündigt. Dieses ist zwar immer noch gering radioaktiv belastet, gilt aber nach der sog. Freimessung als „normaler“ Müll.
Die Initiative AtomErbe Obrigheim lehnt die Freigabe von Abbaumaterial aus Atomanlagen seit Jahren ab, denn es gibt keine Menge an Radioaktivität, die für Menschen unbedenklich ist. In der Wissenschaft ist das „Freimessen“ von radioaktiv belasteten Materialien umstritten, denn die Rechenmodelle, auf denen es beruht, sind Jahrzehnte alt und neuere Erkenntnisse sind nicht eingeflossen. Selbst die internationale Strahlenschutzkommission ICRP legt keinen Schwellenwert für die Unbedenklichkeit fest. Zu beachten ist auch, dass der beim KWO durchgeführte und technisch intransparente Messvorgang auf der Deponie nicht mehr nachvollziehbar ist.
Die Initiative bleibt bei ihrem Vorschlag, alles Abbaumaterial vorerst am Standort der Atomanlagen aufzubewahren, statt es zu deponieren oder zu verbrennen oder als frei verwertbar zu deklarieren und dann in die Umwelt zu verteilen. Bundesweit wird beim Rückbau der Atomanlagen so viel von diesem Schutt anfallen, dass dafür aus Sicht der Initiative ein eigenes Aufbewahrungskonzept nötig ist. Dass die AKW-Betreiber die aktuelle kostengünstige Lösung vorziehen, liegt auf der Hand.
Selbst wenn man die Denkweise von KWO und Umweltministerium anwendet, passt die angekündigte Vorgehensweise für die Deponierung nicht zu den versprochenen Maßnahmen. Angemeldet ist die Lieferung einer ersten Charge von fünf Tonnen. Insgesamt sollen es rund 3000 Tonnen werden. Dies widerspricht der Handlungsanleitung des Landkreistags BW, der zufolge eine „Bündelung“ der Chargen erfolgen soll, um Lieferung und Einbau auf wenige Tage im Jahr zu konzentrieren. Weiter soll laut EnBW eine „vollständige Überprüfung“ durch einen Beauftragten des baden-württembergischen Umweltministeriums erfolgen. Dieser soll nicht nur die Unterlagen prüfen, sondern es wird ein Vor-Ort-Termin mit ihm vereinbart. Von einer eigenen Messung mit einem eigenen Messgerät ist nicht die Rede. In gewisser Weise erinnert das an den Abgas-Skandal, wo das Kraftfahrt-Bundesamt die Messungen mit dem vom Autohersteller vorgegebenen Verfahren übernommen hat statt unabhängig nachzumessen.
Dass es sich um besonderen Müll handelt, wird auch daraus ersichtlich, dass der Deponiebetreiber – im Neckar-Odenwald-Kreis die AWN – für diesen Müll eine sog. Annahmeerklärung erteilen und die Aufsichtsbehörde zustimmen muss. Der Deponiebetreiber wäre gut beraten, diese Annahmeerklärung zu verweigern. Damit würden Entscheidung und Verantwortung beim Umweltministerium liegen.