Wer stoppt die radioaktive Verschmutzung des Neckars?

Aktuell ist für das AKW Obrigheim eine neue wasserrechtliche Genehmigung beantragt. Aus dem stillgelegten und im Rückbau befindlichen Atomkraftwerk sollen noch für weitere 20 Jahre die gleichen Mengen an radioaktiven Stoffen und Schwermetalle in den Neckar entsorgt werden wie zu Zeiten des Leistungsbetriebs. Eine Beendigung oder Verringerung dieser methodischen Umweltverschmutzung ist nicht vorgesehen. Dazu kommen die Belastungen aus dem im Betrieb befindlichen AKW Neckarwestheim.

Auch Mitglieder der Initiative AtomErbe Obrigheim haben formell Einwendungen gegen diese wasserrechtliche Genehmigung erhoben. Erst am 4. Juli wurde bekanntgemacht, dass am 16. Juli 2013 um 9.00 Uhr im Landratsamt Mosbach (Geb. IV) ein Erörterungstermin stattfindet, bei dem die Einwendungen besprochen werden können. Dies ist angesichts der Tatsache, dass die meisten EinwenderInnen Urlaub nehmen müssen, sehr kurzfristig. Zutritt und Rederecht wird lediglich allen EinwenderInnen gewährt, die weitere Öffentlichkeit besitzt nach heutiger Gesetzeslage keine Teilhabe. Weitere Interessierte können zugelassen werden, wenn kein Beteiligter widerspricht. In den Einwendungen wird grundsätzlich eine Verbesserung der Gewässersituation des Neckars gefordert, indem radioaktive Substanzen bestmöglich aus dem Abwasser gefiltert und als Atommüll eingelagert werden statt sie in den Neckar abzulassen.

Des Weiteren hat im Mai das Umweltministerium Baden-Württemberg die 3. Abbaugenehmigung für das AKW Obrigheim erteilt. Sie behandelt hauptsächlich den Reaktordruckbehälter (RDB) mit seinen Einbauten und den Biologischen Schild, eine ca. 2m dicke Stahlbetonabschirmung. Der Reaktorkern ist das Innerste eines Atomkraftwerks, in dem zwischen den hochradioaktiven Brennelementen die atomaren Kettenreaktionen ablaufen, und ist damit der am höchsten verstrahlte Teil der Anlage. Er kann nur mit ferngesteuerten Robotern unter Wasser abgebaut werden, da die radioaktive Strahlung bei Menschen akute Strahlenschäden verursachen würde.

Die Initiative AtomErbe Obrigheim kritisiert, dass wieder keine Öffentlichkeitsbeteiligung nach Atomrecht stattgefunden hat, obwohl es sich um den schwierigsten Schritt des Abbaus handelt. Stattdessen fand nur ein hochgelobter Info-Abend statt, mit anschließender Möglichkeit Fragen an das Umweltministerium zu stellen – ein Standard-Recht, welches bereits das Umweltinformationsgesetz jedem Bürger garantiert. Beim Vergleich beider Vorgehensweisen, den die Initiative zusammengestellt hat, schneidet die atomrechtliche Öffentlichkeitsbeteiligung u.a. wegen des ausführlicheren Verfahrens und der rechtlichen Verbindlichkeit in 11 von 15 Aspekten besser und in 2 weiteren gleichwertig ab! Das grüne Umweltministerium hat in dieser Hinsicht Fortschritt gepredigt und Rückschritt serviert.

Im Genehmigungstext wird ausgesagt, dass „mit dem Abbau des RDB-Unterteils und seiner Einbauten sowie weiterer baulicher Anlagenteile eine wesentliche Verringerung des Gefährdungspotentials einhergeht“. Dem widerspricht die Initiative, da sämtlicher Atommüll am Standort bleiben und gelagert werden muss, bis irgendwann ein Endlager einsatzbereit zur Verfügung stehen sollte. Solange dienen dazu einfache Gebäude, die nicht gegen Erdbeben gesichert sind und einstürzen können.

Eine Verringerung findet allerdings anderweitig statt, da radioaktive Stoffe über die Abluft, über das Abwasser oder als „freigemessenes“ Material getarnt in der Umwelt verteilt werden. So wurden in den letzten 10 Jahren 7 Genehmigungen für die „Freimessung“ und Freigabe von Abbaumaterial aus dem AKW Obrigheim erteilt, das ohne Zweifel radioaktiv belastet ist, aber unterhalb zulässiger Grenzwerte. Dieses Material muss je nach Strahlungsgrad entweder auf einer normalen Deponie gelagert oder kann frei verwendet werden für z.B. die nächste Generation von Kochtöpfen. Bisher wurden rund 10.000 Tonnen teils auf die Buchener und Sinsheimer Mülldeponie gebracht. Eine Übersicht und Festlegung, wo die noch künftigen 120.000 Tonnen verbleiben werden, fehlt komplett in den Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen.

Download: Unterschiede ÖB-Verfahren

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